Latinismen
Situation im Italienischen: Latinismus vs. parola ereditaria im Bereich der Lexik
Im Deutschen ist die Identifikation von Latinismen – mit Ausnahmen – vergleichsweise einfach. In den romanischen Sprachen und insbesondere im Italienischen ist die Situation dagegen besonders komplex. Durch die grundsätzliche Nähe der romanischen Sprachen zum Lateinischen ist es oftmals schwierig bzw. nur unter großem Aufwand möglich, zu entscheiden, ob ein Wort das Produkt einer kontinuierlichen und v.a. auch mündlich-sprachlich beeinflussten Assimilation ist (dies spricht für den Status einer parola ereditaria) oder ob ein Wort direkt aus dem Lateinischen übernommen wurde und v.a. im schriftlichen Ausdruck als parola dotta bzw. als cultismo zu werten ist.
Dabei ist insbesondere auch die Frage des historischen Kontextes zu beachten. Ein Wort, das vor dem soziokulturellen und historischen Hintergrund des Quattrocento als Latinismus zu bewerten ist, muss nicht zwangsläufig auch heute einen Latinismus darstellen.[2]
Unterscheidung: Latinismi denotativi vs. latinismi connotativi
Sobald die oft komplexe Frage geklärt ist, dass es sich bei einem Wort um einen Latinismus handelt, kann man zwischen latinsimi denotativi und latinismi connotativi unterscheiden.[3] Latinismi denotativi sind v.a. solche Wörter, die im Sinne eines terminus technicus verwendet werden und ein bestimmtes Phänomen auf lateinisch identifizieren und dabei nicht bzw. nur wenig an die aufnehmende Sprache angepasst werden. Ein Beispiel wäre das Wort plebe vom Lateinischen plebs. Dieses nutzte Bernardo Davanzati Ende des Cinquecento in seiner Übertragung von Teilen der Annales und der Historiae des Tacitus ins volgare.[4]
Neben den latinismi denotativi gibt es die bereits erwähnten latinismi connotativi. Diese sind überwiegend stilistisch motiviert und sind nicht (primär) aufgrund ihrer wörtlichen Bedeutung benutzt. Stattdessen eröffnet sich durch ihren Gebrauch eine weitere Bedeutungsebene. Häufig ist dies ein gehobener, oft sogar aulischer Tonfall.
Latinismen im Italienischen diachron betrachtet
Das Italienische ist über die Jahrhunderte hinweg von einem insgesamt recht kontinuierlichen Zufluss von Latinismen gekennzeichnet. Gleichwohl gibt es Zeiträume bzw. Texte, die gesondert zu nennen sind. An erster Stelle (chronologisch betrachtet) steht dort v.a. die Divina Commedia Dantes, die durch zahlreiche Latinismen gekennzeichnet ist und so teilweise das Ausdrucksrepertoire des Italienischen erweiterte. Weiterhin zu nennen ist die Zeit des Humanismus am Ende des Quattrocento und z.T. noch zu Beginn des Cinquecento. Damals waren viele Texte im Zuge einer allgemeinen Rückbesinnung auf die Antike von zahlreichen Latinismen geprägt.
Während der Zeit des Settecento finden sich wiederum v.a. wissenschaftliche (z.B. medizinische) Latinismen oder solche der Jurisprudenz in großer Zahl. Trotz solcher ‚Höhepunkte‘ in der Diachronie der Latinismen bleibt jedoch zu betonen, dass das Italienische die meiste Zeit von Latinismen beeinflusst war und ist.[5]
Literaturnachweise
- Vgl. z.B. zu den syntaktischen Latinismen MASTRANTONIO, Davide 2017: Latinismi sintattici nella prosa del Duecento, Canterano, RM.[↩]
- Vgl. für ein Beispiel BURGASSI, Cosimo/GUADAGNINI, Elisa 2017: „L’integrazione lessicale di ‚facile‘ nel vocabolario italiano“, in: Rem tene, verba sequentur. Latinità e medioevo romanzo: testi e lingue in contatto, hg. von Elisa Guadagnini, Giulio Vaccaro, Alessandria, S. 157–177.[↩]
- Vgl. SCAVUZZO, Carmelo 1994: „I latinismi del lessico italiano“, in: Storia della lingua italiana, Bd. 2, hg. von Luca Serianni, Turin, S. 469–494.[↩]
- Vgl. SCAVUZZO, Carmelo 1994: „I latinismi del lessico italiano“, in: Storia della lingua italiana, Bd. 2, hg. von Luca Serianni, Turin, S. 469–494, hier: S. 483.[↩]
- Vgl. zur diachronen Betrachtung der Latinismen v.a. die entsprechenden Kapitel in MIGLIORINI, Bruno 2019: Storia della lingua italiana, Mailand.[↩]