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Konzeptionelle Schriftlichkeit und Mündlichkeit

Schriftlichkeit und Mündlichkeit beschreiben auf einer vordergründigen Ebene das Medium einer Aussage: Eine schriftliche Aussage liegt in graphemischer Form vor, eine mündliche in phonetischer. Darüber hinaus ist jedoch eine Unterscheidung zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit im Bereich der Konzeption möglich. Diese Unterscheidung geht grundlegend auf die Arbeit von Koch und Oesterreicher zurück.[1]

Kontinuum der Schriftlichkeit und Mündlichkeit auf konzeptioneller Ebene

Während die Frage nach dem Medium eine dichotomische Entscheidung bedingt (im Sinne eines entweder – oder), ist dies auf der konzeptionellen Ebene von Schriftlichkeit und Mündlichkeit nach Koch und Oesterreicher nicht der Fall. Bei konzeptioneller Schriftlichkeit und Mündlichkeit handelt es sich vielmehr um ein Kontinuum zwischen den beiden entsprechenden Polen konzeptioneller Schriftlichkeit und konzeptioneller Mündlichkeit und eine Äußerung kann entlang dieses Kontinuums frei verortet werden.[2] Dabei gibt es keine vorgefertigten Kategorien. Auch eine medial graphisch codierte Äußerung kann entlang des Kontinuums der konzeptionellen Schriftlichkeit und Mündlichkeit im Bereich der Mündlichkeit verortet werden. Gleiches gilt für phonisch codierte Äußerung, die ebenfalls konzeptionell sowohl schriftlich als auch mündlich ausfallen können.

Attribute konzeptionell schriftlicher bzw. mündlicher Äußerungen

Auch wenn es keine vorgefertigten Kategorien gibt bzw. einzelne Merkmale wie die mediale Form für sich genommen noch keine eindeutige Verordnung einer Äußerung entlang des Kontinuums konzeptioneller Schriftlichkeit und Mündlichkeit erlauben, existieren Attribute, die v.a. zusammen betrachtet eine deutliche Tendenz in Richtung Schriftlichkeit oder Mündlichkeit bewirken können. Koch und Oesterreicher differenzieren hierbei zwischen Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien. Im Bereich der Kommunikationsbedingungen führen sie für den Pol der konzeptionellen Schriftlichkeit u.a. Monolog, Fremdheit der Partner oder höheres Maß an Reflektiertheit an. Im Bereich der Versprachlichungsstrategien charakterisieren sie den schriftlichen Pol unter anderem durch Komplexität, Elaboriertheit und Planung.[3] Die jeweiligen Gegensätze gelten für den Pol konzeptioneller Mündlichkeit.

Konzeptionelle Schriftlichkeit und Mündlichkeit im Spracherwerb

Die Unterscheidung konzeptioneller Schriftlichkeit und Mündlichkeit ist nicht nur im Bereich der Linguistik selbst von Bedeutung, sondern ist auch im Bereich des Spracherwerbs von großem Nutzen.[4] So müssen Lernende einer neuen Sprache (oft als L2-Lernende bezeichnet) neben den grundsätzlichen Fähigkeiten der schriftlichen und mündlichen Produktion (im Sinne des Mediums) auch die Unterschiede der konzeptionellen Schriftlichkeit und Mündlichkeit erlernen. So unterscheiden sich mitunter Satzbau, Wortwahl u.Ä., je nachdem, ob man einen konzeptionell schriftlichen oder mündlichen Text verfasst (‚extreme‘ Beispiele wären ein wissenschaftlicher Aufsatz und eine Chatnachricht). Gleiches gilt im Bereich des mündlichen Ausdrucks (‚extreme‘ Beispiele wären hier ein Beitrag auf einer internationalen Konferenz und ein Gespräch zwischen besten Freunden).

Zwar gibt es durchaus, v.a. im indoeuropäischen Sprach- und Kulturraum Überschneidungen zwischen den einzelnen Sprachen. Dennoch müssen von L2-Lernenden die konkreten Kommunikationsbedingungen und v.a. Versprachlichungsstrategien für konzeptionelle Schriftlichkeit und Mündlichkeit erlernt werden. Hierbei ergeben sich zahlreiche Berührungspunkte mit der Textsortenlinguistik.[5]



Literaturnachweise
  1. Vgl. KOCH, Peter/OESTERREICHER, Wulf 1985: „Sprache der Nähe — Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte“, in: Romanistisches Jahrbuch, Bd. 36, S. 15–43.[]
  2. Vgl. KOCH, Peter/OESTERREICHER, Wulf 1985: „Sprache der Nähe — Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte“, in: Romanistisches Jahrbuch, Bd. 36, S. 15–43, hier: S. 17–18.[]
  3. Vgl. KOCH, Peter/OESTERREICHER, Wulf 1985: „Sprache der Nähe — Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte“, in: Romanistisches Jahrbuch, Bd. 36, S. 15–43, hier: S. 19–25, v.a. S. 23, Abb. 3.[]
  4. Vgl. überblicksartig mit Blick auf das Deutsche SCHWITALLA, Johannes 2010: „Das Verhältnis zwischen gesprochener und geschriebener Sprache“, in: Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch. 1. Halbband, hg. von Hans-Jürgen Krumm, Christian Fandrych, Britta Hufeisen, Claudia Riemer, Berlin/New York, S. 425-430.[]
  5. Vgl. u.a. FIX, Ulla 2008: „Was heißt Texte kulturell verstehen? Ein- und Zuordnungsprozesse beim Verstehen von Texten als kulturellen Entitäten“, in: Texte und Textsorten – sprachliche, kommunikative und kulturelle Phänomene, hg. von Ulla Fix, Berlin, S. 103–130.[]

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